Herr Miller, wie würden Sie die Bedeutung von Regionalität für eine Genossenschaftsbank beschreiben?
Arnold Miller: „Eigentlich ist die Regionalität die wichtigste Säule, auf der wir als Genossenschaftsbank stehen. Dort kommt unsere ursprüngliche Identität her. Wir haben unsere Regionalität sowie unsere unternehmerische Grundstory nie geändert. Die ist heute noch gleich wie vor 150 Jahren. Wir nehmen das Geld aus der Region und setzen es in der Region ein. Bildlich und einfach gesagt nehmen wir das Geld der Oma, das sie auf dem Sparbuch hat, um ihrer Enkeltochter eine Finanzierung zu machen, wenn sie ein Haus kauft. Das ist unser regionaler Gedanke und der macht uns so unendlich stark.“
In dem Bericht, für den wir heute dieses Interview führen, geht es um das Thema Nachhaltigkeit. Inwiefern würden Sie dieses Geschäftsmodell dieser Bank als nachhaltig beschreiben? Und welche Bedeutung hat hierfür die Regionalität?
Arnold Miller: „Lange bevor der Begriff „Nachhaltigkeit“ die Präsenz erlangt hat, die er heute hat, hatten wir ja schon ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Unser Geschäftsmodell und die darin steckende Grundidee ist an sich ja schon immer nachhaltig. Im Begriff „Nachhaltigkeit“ steckt in Hinblick auf unser Geschäftsmodell für mich der Gedanke, etwas dauerhaft betreiben zu können. Ohne diese Regionalität sind wir austauschbar. Unsere Existenz hängt auch in der Zukunft davon ab, unsere Regionalität beizubehalten und uns so von anderen abzuheben.“
Sie sprechen das Thema Zukunft an. Auch wenn die Bank mit ihrem Geschäftsmodell schon lange erfolgreich ist, muss sie doch mit der Zeit gehen. Wie schafft es die VR Bank Ravensburg-Weingarten eG, zukunftsfähig zu bleiben? Wie sieht Ihre Strategie aus?
Arnold Miller: „Wir haben verschiedene Geschäftsstrategien. Wir wollen auch in Zukunft eine Standard Retail Bank aufrechterhalten, in der jeder seine alltäglichen Bankgeschäfte durchführen kann, wie Kontoführung, Zahlungen etc. Das ist ein Teil. Der für den Geschäftserfolg ebenso wichtige Teil ist aber, dass wir uns in der Zukunft weiter spezialisieren. Wir können und müssen uns im qualifizierten Bereich immer weiterentwickeln. Besonders auch durch unsere geplante Fusion in diesem Jahr ergeben sich neue Möglichkeiten, wie zum Beispiel in der qualifizierten Wertpapierberatung oder im Bereich des Firmenkundengeschäfts. In Verbindung mit der Fusion, können sich auch unsere Mitarbeitenden immer weiter spezialisieren. Dann müssen diese nicht mehr viele verschiedene fachliche Dinge abdecken, sie können sich auf Themen fokussieren, ihre Stärken herausarbeiten. Das hilft ihnen persönlich sehr.“
Wie kommt das bei den Kundinnen und Kunden an?
Arnold Miller: „Die Kundinnen und Kunden schätzen es sehr, dass wir zu den verschiedensten Themen Mitarbeitende mit sehr hohem Fachwissen haben. Dies ist vor allem auch deswegen sehr wichtig, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Denn unsere Kundinnen und Kunden haben einen hohen Anspruch an unsere Expertise. Und diesem wollen und müssen wir gerecht werden.“
Sie haben die Erwartungshaltung der Kundinnen und Kunden angesprochen. Was ist Ihre Erwartungshaltung hinsichtlich der Beratung, die Kundinnen und Kunden bei der VR Bank Ravensburg-Weingarten eG erhalten?
Arnold Miller: „Wenn jemand für eine Beratung zu uns kommt, dann wünsche ich mir, dass wir so beraten, dass der Berater oder die Beraterin sich danach ausrichtet, was er oder sie in der persönlichen Situation auch für sich selbst auswählen würde. Das merkt man als Kunde. Der klassische Produktvertrieb läuft leider oft so, dass ein bestimmtes Vertriebsziell gesetzt wird und das wird dann verkauft, egal ob dies die beste Lösung für den Kunden oder die Kundin ist. Das möchte ich so absolut nicht. Ich möchte nicht die Straßenseite wechseln müssen, wenn mir ein Kunde oder eine Kundin entgegenkommt. Ich möchte sagen können: Die Empfehlung, die wir dir gegeben haben, würde ich selbst auch befolgen, wenn ich in deiner Situation wäre.“
Bei den Kundinnen und Kunden entsteht dann die Erkenntnis: Die wollen nur das Beste für mich.
Arnold Miller: „Genau. Wenn man weiß, dass ein Berater oder eine Beraterin aus eigener Überzeugung beraten hat und das nicht tut, weil ein Ziel erreicht werden soll oder monetäre Anreize gesetzt wurden, dann fühlt man sich wohl als Kunde. Unsere Beraterinnen und Berater erhalten keine Provisionen für den Abschluss bestimmter Produkte. Ob sie einen Bausparvertrag verkaufen oder nicht – dafür bekommen sie nicht mehr und nicht weniger. Wenn man weiß, dass an einen Verkauf eine Provision gekoppelt ist, dann kann man meiner Meinung nach nicht unabhängig beraten. Ich denke, das gibt uns ganz viel Glaubwürdigkeit und die Kundinnen und Kunden wissen das sehr zu schätzen.“
Was motiviert Sie im Umgang mit den Kundinnen und Kunden?
Arnold Miller: „Unterschiedliche Menschen kennenzulernen – das macht meine Berufseuphorie aus. Es macht so viel Spaß zu hören, was dir die unterschiedlichsten Leute aus ihren Leben erzählen. Unterschiedliche Typen von Menschen kennenzulernen. Und für unsere Beraterinnen und Berater ist es spannend, sich auf die jeweiligen Kundinnen und Kunden einzulassen und zu versuchen, diese zu erreichen und deren Vertrauen zu gewinnen. Das weitet den Horizont. Generell finde ich, dass es für alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig ist, ein Gefühl für unsere Kundinnen und Kunden zu haben. Denn was jedem bewusst sein sollte, ist, dass wir nur gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden erfolgreich sein können. Deshalb ist es uns auch sehr wichtig, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend weiterzubilden.“
Ich würde gerne näher auf das Thema Fortbildungsmaßnahmen eingehen. Welche Maßnahmen gibt es hier aktuell und in welchem Bereich?
Arnold Miller: „Wir sind gerade mittendrin, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Nachhaltigkeit weiterzubilden. In der Firmenkundenbank läuft gerade ein Projekt gemeinsam mit der Volksbank Allgäu-Oberschwaben und der Volksbank Friedrichshafen-Tettnang, in der wir unsere Firmenkundenberaterinnen und -berater zu zertifizierten Nachhaltigkeitsberatern ausbilden. Ich denke, da wird in Zukunft aber noch viel mehr kommen. Mit Anna Linssen haben wir eine Expertin mit an Bord, die im Unternehmen das Bewusstsein schafft, was alles unter dem Begriff Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Nachhaltigkeit bedeutet ja nicht nur, die Heizung zurückzudrehen.“
Wie nehmen Sie die Stimmungslage zum Thema Nachhaltigkeit im Haus wahr?
Arnold Miller: „Als wir Anfang des Jahres Anna Linssen eingestellt haben, haben sich natürlich viele im Haus gefragt: Was macht die eigentlich? Manche waren vielleicht anfangs noch etwas skeptisch. Aber das Thema Nachhaltigkeit ist vielfältig. Man muss die Leute da erreichen, wo ihre eigenen Interessen liegen, und so öffnen sich nach und nach die Türen. Aber insgesamt ist das Interesse in der Bank sehr hoch. Das gilt auch für unsere Kundinnen und Kunden. Auch hier sind die Interessen sehr unterschiedlich. Diese zu erkennen und darauf eingehen zu können, ist extrem wichtig. Ich denke, jeden treibt das Thema Nachhaltigkeit in gewisser Weise um. Aber jeden auf einer anderen Ebene.“
Würden Sie also sagen, dass Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert bei den Kundinnen und Kunden der VR Bank Ravensburg-Weingarten eG einnimmt?
Arnold Miller: „Unsere Kundinnen und Kunden bilden einen Querschnitt der Gesellschaft ab. Sie nehmen bestimmt auch selbst wahr, dass das Thema Nachhaltigkeit in unseren Köpfen immer präsenter wird. Auch in unserem Portfolio spiegelt sich das wider. Zum Beispiel sehen wir, dass immer mehr Kundinnen und Kunden zu uns kommen und gezielt nach nachhaltigen Produkten fragen. Und diese Nachfrage müssen und wollen wir auch bedienen.“
Wie stellen Sie sich die nachhaltige Entwicklung der VR Bank Ravensburg-Weingarten eG vor?
Arnold Miller: „Ich habe einen Nachhaltigkeitstraum für unsere Bank. Ich wünsche mir, dass die Kundinnen und Kunden uns als nachhaltiges Unternehmen wahrnehmen und uns auch als solches bezeichnen, ohne, dass wir selbst darüber reden müssen. Jedem soll klar sein, dass wir Nachhaltigkeit leben, ohne, dass wir es sagen müssen. Ich wünsche mir, dass man unsere Bank als Außenstehender betrachtet und sagt, die sind gut, die sind zeitgemäß, die machen es richtig. Und mit der Einstellung unserer Nachhaltigkeitsmanagerin Anna Linssen haben wir einen weiteren Schritt auf dem Weg dorthin gemacht.“
Würden Sie sagen, es liegt noch ein weiter Weg vor der Bank?
Arnold Miller: „Unsere Grundüberzeugung steht schon sehr lange. Aber Nachhaltigkeit ist sehr vielfältig. An vielen Punkten stehen wir noch weit am Anfang, wir haben in meinen Augen aber großes Potenzial. Da ist es toll, dass wir mit Anna Linssen nun solchen Rückenwind bekommen, dass sie uns mit Ideen unterstützt und uns an manchen Stellen auch auf die Finger klopft. Man kann also sagen, dass wir auf dem Weg sind, aber noch viel möglich ist. Wir wissen ja selbst noch gar nicht, wie lange der Weg ist. Ich würde bei diesem Gedanken sagen: Der Weg ist nie zu Ende. Nachhaltig zu sein ist ein endloses Projekt. Deshalb ist für mich gar nicht wichtig, wo wir gerade stehen, sondern wo wir hin wollen. Und wenn wir die Überzeugung haben, dass wir das machen wollen – und die haben wir – dann können wir ganz viel schaffen.“
Der Weg ist das Ziel, wie man so schön sagt.
Arnold Miller: „Ich bin zeitlich nicht nervös. Das braucht alles seine Zeit und wir müssen uns auch hier Vertrauen intern und extern erarbeiten. Aber ich bin mir sicher, dass wir langfristig wirklich viel erreichen. Gemeinsam mit den Partnern unserer Fusionsbank aus Friedrichshafen-Tettnang sind wir uns da einig. Wir sagen zusammen ausdrücklich, dass wir uns abheben und uns immer weiterentwickeln wollen. Also schauen wir mal, was die Zukunft bringt. Ich bin auf jeden Fall gespannt!“
Herr Miller, vielen Dank für das Gespräch!